Die ohne Lob gelebt und ohne Schande.

Der Engel schlechter Schar sie sind verbunden.

Die, ohne gegen Gott sich zu empören

Ihm treu nicht, sondern unparteiisch waren [...].

[...]

 Die Welt gestattet ihnen keinen Nachruhm;

Erbarmen und Gerechtigkeit verschmäht sie.

Kein Wort von ihnen; schau, und geh vorüber. –

Ich blickte hin: Da sah ich eine Fahne,

Die so geschwind umkreisend sich bewegt,

Dass zu verschmähn sie mir jedwede Rast schien.

[...]

Sofort ward ich bewußt mir und versichert,

Dies sei die Schar der schmachbeladenen Seelen,

Die Gott und seinen Feinden gleich mißliebig.

Die Elenden, die nimmer wahrhaft lebten,

Sie waren nackt und wurden schwer gepeinigt

Von Bremsen und von Wespen, die dort waren.

Dante Alighierie „Göttliche Komödie“ I/3

 

 

 

             

 

             "Es gab keine 'Stunde Null'. Das ist eine Erfindung gewisser Historiker. Es ging alles

          so weiter wie bisher, nur mit mehr oder weniger ausgeprägter Tarnung."

                  Fred K. Prieberg in "Kulturzeit" - Porträt (3Sat / LInk unten).

dozierende Musikwissenschaftler mit "Karriereknick"

Beispiel: Parteikarteikarte Walter Wiora - Bundesarchiv Berlin

 

 

aus George Orwells

1984

 

Zürich 1973, 21. Auflage: Diana-Verlag

 

S. 56: "Die Vergangenheit, überlegte er, war nicht nur verändert, son­dern rundweg ausgelöscht worden. Denn wie konnte man die offensichtlichste Tatsache beweisen, wenn es – außer in der eigenen Erinnerung – keine andere Aufzeichnung darüber gab? [...]

 

S. 62: Einen Tag um den anderen und fast von Minute zu Minute wurde die Vergangenheit mit der Gegenwart in Einklang gebracht. Auf diese Weise konnte für jede von der Partei gemachte Vorhersage der dokumentarische Beweis erbracht werden, daß sie richtig gewesen war; auch wurde nie geduldet, daß man eine Verlautbarung oder Meinungsäußerung aufhob, die den augenblicklichen Gegebenheiten widersprach. Die ganze Historie stand so gleichsam auf einem auswechsel­baren Blatt, das genauso oft, wie es nötig wurde, radiert und neu beschrieben werden konnte.[...]

 

118: Hier aber handelte es sich um einen greifbaren Beweis; hier hielt er ein Fragment der ausgetilgten Vergangenheit in den Händen, wie einen fossilen Knochen, der in der ver­kehrten Gesteinsschicht aufgetaucht war und eine geolo­gische Theorie zunichte machte.[...]

 

120: Die unmittelbaren Vorteile einer Fälschung der Vergangenheit waren offensichtlich, aber das letzte, ureigentliche Motiv war schleierhaft. Er griff wieder zu seinem Federhalter und schrieb: Das Wie verstehe ich, aber nicht das Warum.[...]

 

291: Außerdem mußte man, um leistungsfähig zu sein, aus der Vergangenheit lernen können, was bedeutet, daß man eine ziemlich genaue Vorstellung von dem haben mußte, was sich in der Vergangenheit zugetragen hatte.[...]

 

314: Die Änderung der Vergangenheit ist aus zwei Gründen notwendig, deren einer untergeordnet und sozusagen vor­beugend ist. Der untergeordnete Grund besteht darin, daß das Parteimitglied, ähnlich wie der Proletarier, die gegenwärtigen Lebensbedingungen zum Teil deshalb duldet, weil er keine Vergleichsmöglichkeiten besitzt. Er muß von der Vergangenheit abgeschnitten werden, ganz so, wie er auch vom Ausland abgeschnitten werden muß, weil es notwendig ist, daß er glaubt, besser daran zu sein als seine Vorfahren, und daß sich das Durchschnittsniveau der materiellen Bequemlichkeit dauernd hebt. Aber der bei weitem wichtigere Grund für die Änderung der Ver­gangenheit ist die Notwendigkeit, die Unfehlbarkeit der Partei zu garantieren. Nicht nur müssen Reden, Statistiken und Aufzeichnungen jeder Art ständig mit den jeweiligen Erfordernissen in Einklang gebracht werden, um aufzuzei­gen, daß die Voraussagen der Partei in allen Fällen richtig waren. Sondern es darf auch nie eine Veränderung in der Doktrin oder in der politischen Ausrichtung zugegeben werden.[...]

 

315: Die Vergangenheit sieht so aus, wie es die Aufzeichnungen und die Erinnerungen wahrhaben wollen. Und da die Partei alle Aufzeichnungen vollkommen unter ihrer Kontrolle hat, so wie sie auch die Denkweise ihrer Mitglieder unter ihrer ausschließlichen Kontrolle hat, folgt daraus, daß die Vergangenheit so aussieht, wie die Partei sie darzustellen beliebt.[...]"

 

"...hielt er Fragment(e) der ausgetilgten Vergangenheit in den Händen..."

                  

                      Ohne die Leistung dieser abseits der akademischen Musikwissenschaft arbeitenden Ausnahmewissen-

                schaftler hielten wir bis heute fast nichts "in den Händen", wären inzwischen gewiss viele Spuren ver-

                wischt und zahlreiche beweiskräftige Dokumente nicht mehr auffindbar.

 

                    Joseph Wulf (1912-1974)

Fred K. Prieberg (1928-2010)


Die inzwischen (Feb. 2022) 95jährige Hildegard Brenner hatte  Die Kunstpolitik des Nationalsozialismus veröffentlicht und Joseph Wulf in der Erstausgabe seiner Musik im Dritten Reich u. a. auf Wolfgang Boettichers Mitarbeit am LEXIKON DER JUDEN IN DER MUSIK aufmerksam gemacht. Selbst wenn man Wulfs Publikation nicht hätte in Gänze lesen wollen, die Redaktion geht allerdings mit guten Gründen davon aus, dass nicht nur Ludwig Finscher, der Wulfts Pionierleistung  v i e r (!) Jahre nach der Veröffentlichung für Die Musikforschung (20. Jahrg., H. 3 (JULI/SEPTEMBER 1967), pp. 335-336) abgekanzelt hatte, sondern alle deutschen Musikwissenschaftler*innen sowohl Brenners als auch Wulfs Publikation von der ersten bis zur letzten Seite konzentriert gelesen haben, wäre in Wulfs Schrift via Personenregister (Boetticher) die unten abgebildete 'Würdigungspassage' aus dem Vorwort des LEXIKON DER JUDEN IN DER MUSIK  leicht zu ermitteln gewesen:

 

"Wertvolle Mitarbeit..."

 

 

Lexikon der Juden in der Musik

 

 

aus dem Vorwort:

"Wertvolle Mitarbeit haben die Angehörigen der Dienststelle des Reichsleiters Rosenberg - Dr. Lily Vietig-Michaelis, Dr. Wolfgang   B o e t t i c h e r   und Dr. Hermann Killer - geleistet."

 

Wolfgang Boetticher-'Würdigungspassage' im vor-letzten Textabschnitt:


"Ein solches Lexikon behält seine Bedeutung auch für die Zukunft, wenn die Judenfrage in der deutschen Kunst einmal eine ferne historische Episode bilden wird."

 

Beispiel aus dem Lexikon: Arnold Schönberg


"Die Vergangenheit teilt uns mit, wer wir sind. Ohne sie verlieren wir unsere Identität."  Steven Hawking

 

"...heiße Eisen..."

die "Dienststelle des Reichsleiters Rosenberg"

 

 

 


 

1974

im Jahr des Selbstmords von Joseph Wulf (10. Okt.) erschien anlässlich des 60. Geburtstags von Wolfgang Boetticher (19. Aug.) eine Festschrift:


die 27-köpfige Gästeliste des festlichen musikalischen Abendmahls liest sich z. T. wie das Who is Who der deutschen Musikwissenschaft...

 

...darüber hinaus haben weitere 202 Personen und 15 wissenschaftliche Institute/Institutionen (Bibliotheken etc. ) gratuliert:



 

 

[...] Von dort aus hörten in der zweiten Bolgia

Wir Leute ächzen, prustend mit der Schnauze,

Und mit der flachen Hand sich selber schlagen.

Ein Schimmel überkleidete die Ufer,

Der sich gebildet von dem Qualm des Grundes

Und widrig war dem Auge wie der Nase.

So dunkel war das Tal, dass auf den Boden

Zu sehn, nur dem gelang, der auf die Höhe

Des Bogens stieg, wo senkrecht man hinabblickt.

Dorthin gelangten wir, und in der Tiefe

Gewahrt' ich Volk, ganz eingetaucht in Kot,

Der herzurühren schien aus Abrittsgruben.

Und während noch mein Aug' dort unten spähte,

Erblickt ich einen, so beschmutzten Hauptes,

Dass ich nicht sah', ob Lai' er oder geistlich.

Der schrie mich an: Was bist du so begierig,

Vor all den andern nur auf mich zu blicken? -

Und ich zu ihm: Weil, wenn ich mich nicht täusche,

Ich dich mit trocknem Haar schon sah, und du

Alessio bist Interminei aus Lucca;

Drum richtet sich mein Aug auf dich vor allen. -

Da schlug er auf den Schädel sich und sagte,

Die Schmeichelreden tauchten mich hier ein,

Von denen nimmer meine Zunge abließ. -

Dante Alighierie „Göttliche Komödie“ Inferno - Achtzehnter Gesang 

 

 

 

 Frankfurter Rundschau 24. Juli 1982

 

"Der [...] Aufsatz wurde, ehe er die Frankfurter Rundschau erreichte, von zwei großen deutschen Intelligenzblättern mit fadenscheinigen Begründungen abge-lehnt."

 

mit freundlicher Genehmigung:

 

Musikwissenschaft 1933 bis 1945 ist nicht das einzige ungerschriebene Kapitel deutscher Wissenschaftsgeschichte im Dritten Reich. Auch zählt es gewiß nicht zu den wichtigsten, denn selbst im Rahmen der nationalsozialistischen Kulturpolitik spielte die Musikwissenschaft eine relativ untergeordnete Rolle. Und so mag es denn auch beinahe erklärlich erscheinen,  daß sich die deutsche Musikwissenschaft einer kritischen Selbstbespiegelung stillschweigend entziehen konnte. Nach der Entnazifizierung erschien die Luft im wesentlichen rein von unliebsamen und beharrlichen Fragern. Zudem kämpften viele der führenden und kritischsten Köpfe der Disziplin - soweit sie die Hitlerzeit überlebt hatten - jenseits des Atlantik um ihre bloße Existenz. Denn für Alfred Einstein, Curt Sachs und die übrige Elitegarde der deutschen Musikhistorie war der Exodus zumeist nur der Beginn eines kaum endenden Leidensweges gewesen, der nach dem Krieg keine Zeit für ein Sichbefassen mit den hinterbliebenen Kollegen im aufgegebenen Vaterland ließ. So überrascht es nicht, wenn die 1963 erschienene Dokumentation von Joseph Wulf, "Musik im Dritten Reich" auch (rororo 818-820), kaum irgendwelche Anstöße zu einer nennenswerten Selbstbesinnung vermittelte und niemanden in diesem oftmals so esoterischen, nicht selten fernab von der (musikalischen wie politischen) Wirklichkeit angesiedelten Fach wachrüttelte. Redeten die von Wulf ausgebreiteten Dokumente etwa keine deutliche Sprache? War die Musikwissenschaft wirklich so unbelastet? Gewiß, eine Reihe von unbekannten und berühmten Namen tauchten bei Wilf auf: - die Entschuldigungen waren immer schnell bei der Hand.

Es muß gleichsam befreiend gewirkt haben, als 1967 der bedeutende Musikhistoriker udn inzwischen verstorbene Leipziger Ordinarius Heinrich Besseler von der University of Chicago einen Ehrendoktor verliehen bekam: auf Betreiben und aus der Hand seines ehemaligen Schülers Edward Lowinky, der 1933 bei ihm in Heidelberg promoviert hatte und wenig später aus rassischen Gründen die Flucht ergreifen mußte. Unter Besselers Ägide wurden während der Nazizeit die Schriften nicht-arischer Autoren in der Heidelberger Seminarbibliothek mit dem berüchtigten Judenstempel versehen. Gewiß, manches läßt sich aus heutiger Sicht nur schwer beurteilen und Lowinskys Versöhnungsgeste Besseler gegenüber erscheint vielsagend und eindrucksvoll genug. Schließlich war Besseler ein Mann, dem man zwar eine gewisse politische Labilität anhängen mag, dessen wissenschaftliche Integrität jedoch kaum anzutasten ist.

Vielleicht hat die deutsche Musikwissenschaft die Chicagoer Ehrenpromotion Besselers als Signal eines "Schwamm drüber" verstanden. Dem ist freilich durchaus nicht so. Denn sonst hätte es in den vergangenen Wochen in den USA nicht den Aufschrei gegeben, der in Deutschland wohl kaum vernommen wird, geschweige denn in den Ohren gellt. Es entszündete sich an der Einladung des Göttinger Professors Wolfgang Boetticher zu einer internationalen Mendelssohn-Schumann-Konferenz, die von der University of North Carolina (Chapel Hill) gemeinsam mit der Duke University (Durham)  im April 1962 durchgeführt wurde.

Überall in den Vereinigten Staaten legten Music Departments, Gruppen von Musikhitorikern sowie Einzelpersönlichkeiten Protest ein, beschworen die Konferenzleitung, die Einladung Boettichers rückgängig zu machen, andernfalls man zum offenen Boykott aufrufen wolle. Die Frage stellt sich: Kann man denn nicht - wie im Fall Besselers - wennn schon nicht vergessen, so doch vergeben, zumal einem letztlich so wenig exponierten Mann wie Boetticher, der gleich vielen anderen Mitglied der NSDAP war, sich gleich vielen anderen widerstandlos den Regimezwängen übereifrig in seiner Schumann-Dissertaion von 1939 jüdische Personen mit dem Stern markiert hatte. Zweifellos dachte die Konferenzleitung in North Carolina zunächst so und behandelte die Einladung Boettichers wie "business as usual". Wegen seines alleinigen Zuganges zu singulärem Quellenmaterial in Sachen Schmanniana galt er als praktisch unverzichtbarer Teilnehmer.

Und hatte er nicht noch gerade im November 1981 der DDR anläßlich der Gewanhaus-Festtage den Eröffnungsvortrag gehalten? Die deutschen Kollegen hatte die Nazivergangenhehit Boettichers offenbar nie vor Probleme gestellt: so wählte ihn die Philosophische Fakultät der Universität Göttingen 1972-74 zum Dekan: die Gesellschaft für Musikforschung bestellte ihn in den 1970er Jahren als Vorsitzenden ihrer Arbeitsgruppe "Hochschullehrer", der Studienstiftung des deutschen Volkes diente er über lange Jahre hin als Vertrauensdozent; auch erschien 1974 zum sechzigsten Geburstag Wolfgang Boettichers eine Festschrift mit dem Titel "Convivium Musicorum" unter Mitarbeit zahlreicher Musikforscher des In- und Auslandes, darunter gar zwei jüdische Emigranten (ob diesen die Mitarbeit des Jubilars am "Lexikon der Juden in der Musik" - der Dank des Herausgebers Gerigk hinsichtlich der "wertvollen Mitarbeit" Boettichers findet sich bei Wulf abgedruck - wirklich bekannt war?). War Boetticher nicht also längst rehabilitiert angesichts all dieser Ehrenbezeugungen? Der Verfasser dieser Zeilen muß zugeben, daß er auf die bohrenden Fargen eines jüdischen Kollegen und Freundes, warum gerade Boetticher eine Festschrift bekommen mußte, und wie gerade er zum Dekan gewäht werden konnte, keine plausible Antwort geben konnte.

Peinliches, schmerzliches, erschreckendes Erwachen.

Die Achtsamkeit und Empfindlichkeit vieler amerikansicher Musikwisssenschaflter ist aus verständlichen Gründen (und man muß dennoch sagen: leider sehr viel größer als die der deutschen. Der faschistische Terror hat unauslöschliche Spuren hinterlassen. Und unter den zahlreichen Musikologen jüdischer Abstammung gibt es wohl keinen, dessen Familie von Opfern verschont geblieben wäre. Offenbar muß es einem erst an den Lebensnerv gehen, bis man für gewisse Dinge sensitiv wird und die Augen ein wenig offener hält. So förderte man vor wenigen Wochen eine in Deutschland unbekannt gebliebene Dokumentation zutage (J. Billig, "Alfred Rosenberg, dans l'action Ideologique, politique et adminstrative du Reich hitlerien", bereits 1963 in Paris gedruckt), die einem buchstäblich die Haare zu Berge stehen läßt, auch wenn sie wohl kaum mehr als die halbe Wahrheit enthüllt. Danach war Boetticher nicht etwa nur in die üblichen kleineren, "Betriebsunfälle" verwickelt, sondern  er gehörte jahrelang dem Einsatzstab des bei den Nürnberger Prozessen zum Tode verurteilten Reichsleiters Alfred Rosenberg an. In dieser Eigenschaft war er zum Beispiel 1941 nach der Besetzung von Paris durch die deutsche Wehrmacht unter anderem maßgeblich beteiligt an der Beschlagnahmung von wertvollen Musikinstrumenten jüdischer Musiker (darunter den weltberühmten Vladimir Horovitz, Wanda Landowska und Gregor Piattgorski). Als Mitarbeiter der Dienststelle Rosenberg zeichnete Boetticher mitverantwortlich für die Vertuschung von Tatsachen und Falsifikation von Daten und half damit jene Atmosphäre anschüren, die die Vernichtung von vielen Millionen Juden ermöglichte. Einer, der Schumann als Antisemiten proklamierte und Mendelssohn künstlerische Impotenz bescheinigt, kann in der Tat bei einer internationalen Mendelssohn-Schumann-Konferenz für keinen ernsthaften Historker ein akzeptabler Gesprächspartner sein. Wo bliebe das Ethos der Wissenschaft, das angesichts des großen Verschweigens und Nichtwissenwollens ohnehin bereits angeschlagen ist?

Der Aufschrei der Entrüstung unter der amerikanischen Musikwissenschaftlern erscheint so verständlich wie legitim. Auch handelt es sich nicht um eine unwesentliche Episode. Immerhin nahm sich die "New York Times" der Titel "Facing the Music" am 18. Februar 1982 einen Artikel ihres angesehenen Kolumnisten Anthony Lewis. Das Bonner Büro der "New York Times" setzte sich seinerzeit mit Boetticher telefonisch in Verbindung und stellte ihm einige präzise und offensichtlich unangenehme Fragen. Noch am gleichen Tag traf in North Carolina ein Telegramm mit der Absage Boettichers ein, und zwar wegen einer Handverletzung, die er sich bei einem Unfall zugezogen habe. Ein läppischer Unfall, doch welche Symboolik. Verletzung der Hand eines Handlangers der Schergen Hitlers, der unter anderem Hand anzulegen wagte an den kostbaren Beseitz jüdischer Musiker: Verletzung der Hand eines Schreibtischtäters, der sich die Rolle anmaßte, sozusagen negative Musikgeschichte zu machen. Wie kann ein solcher Mann in Deutschland bis heute Musikgeschichte lehren? Hat man dann wirklich nichts gewußt, nicht wissen wollen, dem Schweigen blindlings vertraut? Ist der Fall Boetticher vielleicht etwa nur die Spitze des Eisbergs im Meer vergrabener Fakten einer unbewältigten Fachgeschichte? Beim "Convivium Musicorum" - welcher Hohn des Festschrifttitels! - darf für Boetticher kein Platz sein. Und wer, auch von den nicht mehr Lebenden, muß ebenfalls vom "Convivium Musicorum" ausgeschlossen bleiben? Das soeben erschienene Buch von Fred K. Prieberg, "Musik im NS-Staat" (Fischer-Bücherei 6901), rührt erneut und nachdrücklich an den wundesten Punkt deutscher Geschichte und sollte gerade auch der Musikwissenschaft deutlich machen, daß forschendes Besinnen überfällig ist.

 

Professor Dr. Christoph Wolff ist Musikhistoriker und Chairman des Departments of Music, Harvard University, Cambridge/Mass. Der vorstehende Aufsatz wurde, ehe er die "Frankfurter Rundschau" erreichte, von zwei großen deutschen Intelligenblättern mit fadenscheinigen Begründungen abgelehnt.

 

 

 

See the article in its original context from

 

February 18, 1982, Section A, Page 23

 

 

Lewis BOSTON, Feb. 17 - He is a German musicologist, a specialist on Schumann. Forty years ago, when the Nazis occupied Paris, he was an official there in charge of seizing art works, especially from Jews. He worked for Alfred Rosenberg, the Nazi racial theorist. He wrote about ''the Jewish mentality'' in music.

A few days ago I learned that he was scheduled to speak in this country at an international conference, sponsored by two American universities, on Mendelssohn and Schumann. Since then I have been trying to puzzle out the facts and the implications. Should he speak from a scholar's platform in the United States? Should we be disturbed? Or is it time to forget what happened 40 years ago?

[...]

Dr. Boetticher published a lengthy dissertation on Schumann in 1941. He put stars next to the names of all Jews in the index. In the introduction he said references to comments by Jewish authors had been ''subjected to prior scrutiny in the light of the Jewish mentality. They thus conform to the requirements of German science.''

Mendelssohn, whose music was banned in Nazi Germany because of his Jewish origin, was a friend of Schumann's. In publishing the writings and diaries of Schumann, some scholars have complained, Dr. Boetticher cut admiring passages on Mendelssohn. Omitted were such phrases as ''Mendelssohn was true in everything.''

That much was known about Dr. Boetticher by the two principal organizers of the April conference, Assistant Profs. Jon W. Finson of North Carolina and R. Larry Todd of Duke. Professor Finson explained that Dr. Boetticher was a crucial figure because he had sole access to an important private collection of Schumann documents.

''The conference must deal with present reality,'' Professor Finson wrote to a scholar who had questioned the invitation to Dr. Boetticher. ''Modern-day Schumann scholars would be crippled without the sources under (his) control. Participation in the conference will not serve to endorse the moral stance of any particular individual.''

In a telephone interview Professor Finson said that Dr. Boetticher's references to Jews in his 1941 dissertation could be seen as the result of implicit Nazi compulsion. ''I don't applaud it,'' he said, ''but I understand how somebody in the German university system could have been induced to do such a thing.''

[...]

The sponsors said they had not known, until I told them, of references to a Wolfgang Boetticher in a Paris archive of Nazi documents. The archive describes him as a member of the general staff of Alfred Rosenberg, who was convicted and executed at Nuremberg. It says he worked on the plundering of valuable music and instruments in Paris.

One document in the archive is a note to the German high command defending the seizure of Wanda Landowska's collection of antique instruments, which had been criticized by the Vichy French authorities. The note, from Wolfgang Boetticher, says in part: ''The pianist is Jewish. She was born in 1878 in Warsaw and has Polish nationality. The property that we have seized cannot therefore be considered as French works of art. Besides, it will also be remembered that the Jewess Landowska is one of the many Jews who have been publicly known as enemies of Germany.''

Another Wolfgang Boetticher note in the archive protests against clearance by German censors of a French book that he says contains favorable references to Jewish composers. Another, from headquarters in Berlin, discussing administrative details of the property seizure, is addressed: ''Dear Party Member Boetticher.''

When I read those items to Professor Finson, he said the sponsors of the conference would consider the question again, deeply. That proved unnecessary, after a telephone call today from Adele Riepe of the New York Times bureau in Bonn to Dr. Boetticher.

Had he worked in Paris during the war? Dr. Boetticher was asked. He answered yes. Had he worked for Alfred Rosenberg? On the seizure of Jewish property? Dr. Boetticher, agitated, said those were legal questions and would have to be put to him in writing. He said he would be unable to go to the North Carolina conference because he had injured his hand in an accident. A few hours later the sponsors received a cable from him to that effect.

Should we remember, and protest? We do not want political tests in scholarly enterprises. But after Hitler we should know that racism is evil of a special character. And the Nazis wanted the world to forget. They wanted to mutilate history.

 

 

 

 

Bekenntnisse  des ...

"Und zu diesen Karrieren brauchte sie die Unterstützung der älteren   Generation ..."

 

 

"Die jüngere Generation hatte, von einzelnen Ausnahmen vielleicht abgesehen, kein Interesse an Rückschau und Besinnung, weil sie ihre einmaligen Chancen im Wiederaufbau weitgehend zerstörter universitärer Sturkturen ergriff und an ihren Karrieren arbeitete, und zu diesen Karrieren brauchte sie die Unterstützung der älteren Generation, die schon deshalb vertrauenswürdig erscheinen konnte, weil sie 1945 in aller Regel keinerlei Karriereknick erlitten hatte" (Finscher 2001: S. 2).

 

 

Dissertation von Lutz Finscher, deren Berichterstatter auch bei Carl Dahlhaus und Rudolph Stephan agiert hatten:


 

Fünfzehn Jahre später kanzelt Finschers Kommilitone Carl Dahlhaus Fred K. Priebergs Musik im NS-Staat  ab:

 

Den Notlügen auf der Spur

Fred K. Priebers Chronik der Musik im NS-Staat – Von Carl Dahlhaus

Frankfurter Allgemeine Zeitung, Samstag 13. Februar 1982 / Nummer37

 

Das Buch von Fred K. Prieberg, „Musik im NS-Staat“, wird ohne Zweifel vor allem als ein Stück „Entlarvungs-publizistik“ gelesen werden: als Ausgrabung peinlicher Tatsachen über Herbert von Karajan und Karl Böhm, Richard Strauss und Hans Pfitzner, Anton von Webern und Johann Nepomuk David, Carl Orff und Werner Egk, Wolfgang Fortner und Rudolf Wagner-Régeny, Norbert Schulze und Alois Melichar. Die wenigen, denen man nichts zur Last legen kann, wie Karl Amadeus Hartmann, werden nicht erwähnt: sie gehören zwar zur Musik während des „Dritten Reiches“, aber nicht zur „Musik im NS-Staat“.

Die Lebenden unter den Betroffenen werden sich gegen die Ausbreitung von Fakten, die Prieberg mit einem an Besessenheit grenzenden Entdeckungseifer recherchierte, nicht wehren. Jedenfalls wäre es unklug, wenn sie es versuchen würden; denn Prieberg kennt den Verlauf früherer Verleumdungsprozesse und berichtet darüber. Er weiß, was er schreiben darf und was nicht. Und was er behauptet, ist genau das, was im Gerichtsaal „nichts als die Wahrheit und die ganze Wahrheit“ heißt. Das Buch ist präzise, und die Zitate, auf die es sich stützt, wirken bestürzend, ohne daß man ihnen mit dem Argument, sie seien „aus dem Zusammenhang gerissen“, die Spitze abbrechen könnte. „Musik im NS-Staat“ ist jedoch streng genommen weder eine Analyse noch ein Versuch zusammenfassender Geschichtsschreibung, sondern ein Bericht: eine Chronik politisch-moralischer Perfidien und Versäumnisse, die Darstellung einer „Musikkultur“, die gerade dadurch innerlich zusammenbrach, daß sie sich äußerlich als „intakt“ präsentierte.

Prieberg analysiert nicht Probleme, sondern konstatiert Fakten, und zwar die unangenehmen. So schrieb etwa Carl Orff, an dessen politisch-moralischer Integrität kein Zweifel erlaubt ist, 1939 eine Bühnenmusik zum „Sommer-nachtstraum“. Und Priebergs Urteil steht von vornherein fest: Zwischen 1933 und 1945 eine „Sommer-nachtstraum“-Musik zu komponieren, war politisch, als Versuch, Mendelssohn zu verdrängen oder zu „ersetzen“, sträflicher Opportunismus und nichts sonst.

Selbstverständlich wäre es widersinnig, das politische Moment zu leugnen. Man sollte jedoch andererseits berück-sichtigen, daß avancierte Regisseure – und das waren gerade nicht die Anhänger des NS-Staats – in den dreißiger Jahren zu einem Inszenierungsstil neigten, mit dem Mendelssohns Musik schlechterdings unvereinbar erschien. Es war demnach künstlerisch legitim und an der Zeit, eine andere als die gewohnte „Sommernachtstraum“-Musik zu schreiben. Und die Situation war insofern besonders paradox und grotesk, als Mendelssohns Musik gerade zu der Art von Regie paßte, die dem Regime sympathisch war. Es gab darum einige Nazi-Kritiker, die ausdrücklich bedauerten, daß Mendelssohns Musik, wie das scheußliche Wort hieß, „untragbar“ sei.

Die Frage, ob ein Komponist ein Werk schreiben soll, dessen künstlerische Legitimität feststeht, dessen politische Implikationen jedoch fatal sind, kann zweifelsfrei verschieden beantwortet werden. Aber man müßte sie zunächst einmal stellen, bevor man über Orff den Stab bricht: über einen Komponisten, den niemand, der den Text der Oper „Die Kluge“ liest, zu den Anhängern des Regimes zählen kann.

[...]

Prieberg ist, so genau und unermüdlich er recherchiert, offenbar ein ungenauer Leser. Er hat mit unbeirrbarer Sorgfalt und detektivischem Scharfsinn nahezu zwei Jahrzehnte lang – er erwähnt auch die Kosten – Material gesammelt. Aber zu einer Analyse, die den Namen verdient, ist er nicht fähig – oder aber nicht willens, weil sie den publizistischen Effekt, den er erstrebte durch Differenzierung abschwächen würde. [...]

Aber auch den Anspruch auf Geschichtsschreibung, den Prieberg erhebt, wird keineswegs eingelöst. Von den konkurrierenden Faschismustheorien – der marxistischen Kapitalismusthese, der Theorie Thalheimers über die „verselbständigte Exekutive“, der sozialpsychologischen Analyse Erich Fromms und Theoder W. Adornos, der Totalitarismustheorie Franz Neumanns und Karl Dietrich Brachers und der „phänomenologischen“ Interpretation Ernst Noltes – ist nicht einmal in einem Nebensatz die Rede. Prieberg ist ein Chronist, der unermüdlich Fakten häuft, und ein Publizist, der zu provozieren versucht, aber ein Historiker, der die Struktur der Musikkultur in der Nazizeit kategorial zu erfassen versucht, ist er nicht.

Vor den schwierigen Problemen scheut er zurück: Weder die zwiespältige Gesinnung Anton von Weberns noch die problematische Situation Herbert von Karajans in den letzten Kriegsjahren wird dargestellt, und von der Diskussion über Arnold Scherings Beethovendeutung ist ebensowenig die Rede wie von Friedrich Blumes Buch „Das Rassenproblem in der Musik“.

Die Motivation, die dem Buch zugrunde liegt, ist eigentlich eine detektivisch-moralische: Prieberg fühlte sich immer dann zu Recherchen provoziert, die Peinliches zutage förderten, wenn von Komponisten, Dirigenten oder Publizisten nach 1945 belastende Tatsachen verschwiegen, retuschiert oder zurechtgerückt worden sind. Er ist, 450 Seiten lang, den „Notlügen“ auf der Spur.

Nicht, daß es überflüssig wäre, die „kleinen wahren Fakten“ (Denis Diderot) zu kennen, aus denen der musikalische Alltag in der NS-Zeit bestand. Und man fragt sich bei der Lektüre – der Rezensent gehört ebenso wie der Autor dem Jahrgang 1928 an -, wie man sich selbst verhalten hätte (eine ebenso unabweisliche wie vergebliche Frage). Aber eine Darstellung, die man als Geschichtsschreibung bezeichnen kann, steht auch nach Priebergs Buch noch aus.

Fred K. Prieberg: „Musik im NS- Staat“. Fischer Taschenbuch.

 

die "kleinen wahren Fakten"  Denis Diderot

"Das ist mein Weg, welches ist Dein Weg? DEN Weg gibt es nicht." Friedrich Nietzsche

 

Wie Finscher gibt Dahlhaus  den Musik-im-NS-Staat-Sachverständigen mit wissenschaftlichem Maximalanspruch, ohne jemals auch nur eine Zeile zur Thematik veröffentlicht zu haben. "Weder die zwiespältige Gesinnung Anton von Weberns noch die vermeintlich problematische Situation Herbert von Karajans in den letzten Kriegsjahren" waren Dahlhaus 'differenzierte' Erörterungen wert, aber auch nach Schriften zu "Arnold Scherings Beethovendeutung [...] und Friedrich Blumes Buch „Das Rassenproblem in der Musik“ sucht man in seiner Bibliographie vergebens,  stolpert darin allerdings - auch das gehört zu den "kleinen wahren Fakten"  - über eine weniger bekannte "Festschrift für einen Verleger" aus dem Jahre 1973. Gleichwohl scheut sich der offenbar nur bedingt autonome Wissenschaftler und Autonomieästhetiker, Hobbypsychologe und fragwürdige Wissenschaftstheoretiker ("kein Zweifel erlaubt") nicht, Prieberg niederträchtige Forschungsmotive zu unterstellen, gar zu psychopathologisieren - "einem an Besessenheit grenzenden Entdeckungseifer"  -  und sich geradezu halbstark mit seiner 'stupenden' Theoriekompetenz gegen den 'lediglich' an 'kleinen' außermusikalischen Fakten interessierten Jahrgangsbruder (1928) in Stellung zu bringen. 

 

"Ich brauche Informationen. Eine Meinung bilde ich mir selbst." Charles Dickens

 

Unentwegt wirft er Prieberg vor, nicht das Buch geschrieben zu haben, das er selber aus seiner maximal differen-zierten Theorielabyrinthperspektive hätte schreiben können und auch sollen, versucht er Priebergs Schrift Defizite nachzuweisen, ohne sich offenbar aufs Ganze gesehen des Hauptdefizits bewusst zu sein, das wiederum sein Intimus Finscher auch zwanzig Jahre später noch zu konstatieren hatte. Dass nämlich - es sei noch einmal ausdrücklich betont - die u. a. von Dahlhaus als GfM-Präsident und -Vizepräsident (1968-1980, siehe unten) diskursmäßig geprägte akademische "Disziplin nicht nur nichts sachlich und methodisch Befriedigenderes zum Thema vorgelegt [...][hatte], sondern [...] praktisch überhaupt nichts" (Finscher 2001: 2). Stattdessen versucht der 'bebrillte Musikintelligenzler', sich mit billigen Andeutungen nicht nur am Whitewashing von Herbert von Karajan, der sich vermutlich wie alle Deutschen "in den letzten Kriegsjahren" in einer mehr oder weniger "problematischen Situation" befunden haben dürfte, davor aber zielstrebig und erfolgreich seine Kariere im NS-Staat vorangetrieben hatte.

Geradezu grotesk ist Dahlhaus' Apologie von Orffs Sommernachtstraum-Musik, die wohl auch deshalb seitdem nicht mehr bemüht worden ist und im guten Wissen um die Verfehlung des Tonsetzers inzwischen 'nahezu' in Gänze unterlassen wird. Selbst wenn die von Dahlhaus namentlich nicht genannten Regiemodernisten der 'Verfallszeit' nach einer ästhetisch eher expressionistisch oder neu-sachlich orientierten Bühnenmusik Ausschau gehalten hätten, wofür es aber, wie gesagt, keine Belege gibt, wären sie gewiss nicht mit der den NS-Regietraditionalisten und -Kulturfunktionären ästhetisch zusagenden Ersatzmusik Orffs fündig geworden.

Aus der Vogelperspektive betrachtet erweckt die Rezension den Eindruck, als habe sie lediglich den willkommenen Vorwand für eine sich in grotesken Argumentationen, unbewiesenen Behauptungen und Andeutungen erschöpfende Schlussstrichenzyklika geboten.

 

 

"Es gehört in meinen (Fach-) Kreisen zum guten Ton,  n i c h t   über Prieberg zu sprechen." N. N.

 

Prieberg war von Dahlhaus psychopathologisiert, moralisch fragwürdiger Absichten, handwerklicher Defizite und suboptimaler Diskurshöhe bezichtigt worden. Jeder gare und halb gare Musikwissenschaftler, aber auch selbster-nannte Fachkreise erlaubten sich nunmehr, an dem ex cathedra in die Schmuddelecke Verwiesenen ungeniert ihr Wasser abzuschlagen. 

 

Hier das nicht nur "beinahe", sondern tatsächlich "bestürzende" Beispiel eines besonders perfiden Feiglings. Der widerlich selbstgefällige Blender wird gewiss nicht der einzige gewesen sein, der hinter den Kulissen skrupellos Rufmord  an Prieberg betrieben und sich in seiner zum Himmel schreienden Ignoranz nicht einmal entblödet hat, Michael H. Katers Missbrauchte Muse gegen Priebergs Handbuch Deutsche Musiker 1933-45  auszuspielen.

 

Dies lediglich abschließend für's Poesiealbum zu den Themen Autonomie, Ideologie- und Tendenzfreiheit in der Forschung bzw. über Musik (-wissenschaft) und Macht - nur damit beim forschenden Nachwuchs die Illusionen nicht ins Kraut schießen. 

 

"Man kann sogar die Vergangenheit ändern. Die Historiker beweisen es immer wieder." Jean Paul Sartre

 

 

 

"...hielt er sich gegenüber den Machthabern zurück..." (Quellenangabe unten)

 

 

Vertiefende Recherchen nicht nur zu Boetticher hatten nach Wulfs Selbstmord zunächst einzig Fred K. Prieberg, später dann auch Willem de Vries für notwendig gehalten, während selbst im aktuellen MGG-Online von den bis dato(!) siebenunddreißig eingangs gelisteten Parteimitgliedschaften    n e u n z e h n     unerwähnt bleiben - und zwar namentlich (Stand 12.03.2021): Anna Amalie Abert, Adam Adrio, Joachim Hans Albrecht, Wolfgang Boetticher, Werner Danckert, Wilhelm Ehmann, Friedrich Gennrich, Walter Gerstenberg, Heinrich Husmann, Hans Engel, Werner Korte, Peter Raabe, Ludwig Schiedermair, Walter Serauky, Wilhelm Stauder, Hermann Stephani, Walter Wiora und Hermann Zenck.

 

Darin keine Personenartikel zu: Kurt Gudewill, Siefried Goslich, Karl Hasse, Otto C. A. zur Nedden, Gustav Friedrich Schmidt, Fritz Stein, Gerhard Pietzsch, Alfred Quellmalz. 

"... hielt er sich gegenüber den Machthabern zurück."

 

"[...] Obwohl Wioras Forschungsgebiete schon thematisch eine Nähe zur nationalsozialistischen Diktatur begünstigt hätten, hielt er sich gegenüber den Machthabern zurück. Gleichwohl wurde er 1942, möglicherweise aufgrund seiner Themen, zum außerordentlichen Prof. an die Univ. Posen berufen, die als 'Reichsuniversität' zu einer Kaderschmiede des Regimes ausgebaut werden sollte. Wegen seines Kriegseinsatzes konnte er dieses Amt nie antreten - ein Umstand, den er später als glücklich betrachtete. 1946 kehrte er nach Freiburg zurück, wo er als Archivar das Deutsche Volksliedarchiv betreut hat. Erst spät, 1958, also im Alter von 51 Jahren, erhielt er einen Ruf auf den Lehrstuhl F. Blumes an die Univ. Kiel.[...]" Laurenz Lütteken, Sequenz aus Personenartikel Walter Wiora in MGG2 - überführt in MGG-Online - vom Verfasser eingesehen und via Screenshot kopiert am 12.03.2021.

 

Hatten für das erste MGG die "lernfähigen und [...] wendigen" (Gerhard 2000: 5-6)  Protagonisten ihre 'nazionalchauvinistisch' kontaminierten Biografien 'vorsichtshalber' noch selber an den Zeitgeist 'angepasst', so haben, wie sich nach wenigen Mausclicks feststellen lässt, diese Aufgabe im angeblich "völlig neu bearbeiteten" (wikipedia) MGG2 überwiegend loyale Schüler bzw. - zur Verschleierung der Netzwerke und Wahrung des wissenschaftlichen Scheins - deren "an ihren Karrieren arbeitende" Schüler übernommen. Der in die aktuelle Online-Enzyklopädie transferierte Personenartikel Walter Wiora ((1906-97) siehe Ausschnitt oben) stammt beispielsweise aus aus der Feder von Laurenz Lütteken, dem derzeitigen Herausgeber des vorgeblich "bedeu-tendsten deutschsprachigen musikwissenschaftlichen Standardwerks nach dem Zweiten Weltkrieg" (wikipedia). Der stets höchste wissenschaftliche Maßstäbe reklamierende Zürcher Ordinarius schreibt darin allerdings nicht nur auffallend gut informiert über das Faktum von Wioras Parteimitgliedschaft hinweg, sondern darüber hinaus versucht er auch noch schamlos, seinem Protagonisten Haltung und Integrität anzudichten.

Lüttekens 'exklusive' Insiderkenntnisse könnten sowohl von seinem Doktorvater und Habilitationsbetreuer Klaus Hortschansky stammen, als dessen Dissertationszweitberichterstatter Wiora in Kiel fungiert hat,  als auch von Wioras langjährigem Assistenten und ab 1988 Herausgeber des MGG2, dessen Student Lütteken vorübergehend in Heidelberg gewesen ist und deshalb auch als Dissertationsmitberichterstatter vermutet werden darf. Dass Lutz bzw. Ludwig Finscher allerdings in dem von ihm verfassten MGG-Personenartikel zwar die Parteiangehörigkeit seines, nach Lüttekens (2020) skandalöser Verklärung, dem "legendären Göttinger Seminar der Nachkriegszeit"  angehörenden Doktorvaters, Antisemiten und 'Sonderstab-Co-Aktivisten' Rudolf Gerber (1899-1957), die er im MGG1 noch unterschlagen hatte, sie aber im Kontext Wioras von einem willfährigen Musterschüler seines Kieler Kommi-litonen und nur fünf Jahre jüngeren Habilitanden Hortschansky unter den Teppich kehren lässt, ist mit Blick auf die epische Lebensspanne von Finschers "wichtigstem Mentor" (ebd.) zwar nachvollziehbar, allerdings mitnichten in Einklang zu bringen mit dem Neutralitätsgebot der 'Enzyklopädisten', der "sauberen historischen Arbeit" (Finscher 2001a: 432) und dem "redlichen Umgang mit den Quellen" (ebd. 416), die der, mehr noch als sein Habilitand Hortschansky (GfM-Vize- bzw. Präsidentschaft 1989-97), viele Jahre u. a. als Role Model und äußerst berufungs-relevanter Gutachter agierende GfM- (1974-77) bzw. IMS-Präsident (1977-81) mitunter gerne selbstgerecht und -gefällig von anderen gefordert hatte. Notabene! Wer hehres Wissenschaftsehthos predigt, muss sich im besonderen Maße daran messen lassen. 

 

 

notabene - "... ihr Beruf ist, nicht nur Wahrheit zu erforschen ..."

 

 

"geradezu unverfrorene Bereinigungen und Säuberungen..."

 

Aber nicht nur vor diesem Hintergrund wirkt Lüttekens entrüstete Feststellung,  wonach "Konrad Ameln und Wolfgang Boetticher oder Wilhelm Ehmann die Gunst einer vermeintlichen 'Stunde Null' zu geradezu unverfrorenen Bereinigungen und Säuberungen" ihrer Biografien genützt hätten, die er den Lesern in seinem Essay Weltsprache Musik? Selbstverständnis und Geltungsanspruch der ersten MGG (Lütteken 2018: 6, siehe Link unten) zumutet, bestenfalls lächerlich, schlechterenfalls aber 'unverfroren' respektlos gegenüber dem Kollegium. Dem tischt er nämlich, wie eingangs sein Hortschansky-Co-Habilitand Gerhard, ein billiges Täuschungsmanöver auf. Denn bei seiner kleinen und keinesfalls zufälligen Auswahl vergleichsweise irrelevanter (Ameln, Ehmann) bzw. längst 'überführter Delinquenten' (Boetticher), handelt es sich mit Blick auf die Eingangstabelle offenbar um reines  Blendwerk, mit der er die drei Inkriminierten "als alleinige Sündenböcke für die Verstrickungen der ganzen Disziplin zu isolieren" sucht (Gerhard 2000, siehe oben). Mal abgesehen davon, dass die Parteiangehörigkeiten von zwei der drei Genannten (Boetticher, Ehmann (Stand 12.03.2021)) nach wie vor in dem von Lütteken seit 2013 als General-herausgeber verantworteten  Onlinelexikon verschwiegen werden, bleiben mit seinem an den Pranger gestellten Wissenschaftlertrio  gleichsam die zahl- und äußerst einflussreichen,  vor allem aber im MGG1 als Autoren stark vertretenen NACHKRIEGS muwi G  R  A  N  D  E  N  Engel, Fellerer, Gerber, Husmann, Korte, Osthoff, Wiora - und wie die bestens vernetzten wissenschaftsWUNSCHKONZERTakteure nicht alle heißen -, die im vom Verleger und Pg. Karl Vötterle (Mitgliedsnummer 4.629.166) auf den Weg gebrachten und sukzessive materialisierten MGG1 nicht minder unverfroren ihre Biografien bereinigt und gesäubert hatten, unerwähnt. Nicht nur von daher ist Lütteken entschieden zu widersprechen, wenn er wider besseres Wissen pro domo behauptet, dass "der oft geäußerte Verdacht, die MGG1 sei bloß ein Spiegel von 'alten' Netzwerken, ganz sicher nicht" zutreffe. Denn diese "alten Netzwerke" haben, wie nur unschwer anhand   s e i n e s   Netzwerks, seiner gestelzt heuchelnden Whitewashing-Essayistik und seines 'unverfroren bereinigten und gesäuberten' Personenartikels Wiora verdeutlicht werden konnte, 'ganz sicher' nicht nur im MGG1, sondern offenbar auch in den Nachfolgeditionen - notabene 19 von 37 - über willige, ihre Gewissenspflicht als Wissenschaftler verletzende, jedes Berufsethos mit Füßen tretende Helfer ihre Wirkmacht entfalten können.

 

 

 

 Die Wahrheit war immer nur eine Tochter der Zeit. Leonardo da Vinci

 

Wahrhaftigeres nicht nur zu Wiora, sondern u. a. auch zum "legendären Göttinger Seminar der Nachkriegszeit" bzw. der gesamten 'Kickline der deutschen Nachkriegsmusikwissenschaft' findet man kostenlos in Fred K. Priebergs nicht "schmaler und ungesicherter", wie   L u d w i g    'v a n'   Finscher es jahrzehntelang pseudo-sachverständg, 'methodisch stringent' mit 'spezifisch'-tendenzhaft verscheuklapptem Blick und - 'Pour le Mérite' - leeren Händen gegenüber dem nicht akademischen Kollegen unerträglich borniert und unbewiesen behauptet hatte, sondern, nur wenige Jahre später, stupender "Materialbasis" (9570 Seiten). Die ist inzwischen jedem online frei zugänglich und auch als PDF mit Suchfunktion herunterladbar. Bis dato - 23.08.2022 - verzeichnet das von der UNITED STATES HOLOCAUST MUSEUM LIBRARY  hochgeladene Digitalisat 8524 Seitenaufrufe, und es werden täglich mehr:

Updatea: 26.03.2023: 12,082 Views - 24.02.2024: 14, 868 views

 

Auch die Großmeister des wissenden Ignorierens und beredter Tatenlosigkeit konnten also schlussendlich nicht verhindern, dass ein gewissenhafte 'Kollege' die unangenehmen, mitunter 'ekelerregenden' "kleinen wahren Faken" ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt hat.

 

Und auch ihren, um es mit Thomas Mann zu sagen, "Kooperationsknechten" der dritten und inzwischen vierten Fälschungs-, Vertuschungs- und Verklärungsgeneration wird trotz beträchtlicher Forschungssubventinierung besten-falls eine weitere Verzögerung der Wahrheitsfindung bzw. reaktionäre Diskursfestlegung gelingen. So jedenfalls wird es irgendwann samt Nennung von Ross und Reiter  in den Geschichtsbüchern zu lesen sein. 

 

 

                           Foto: Ulrich J. Blomann


 

Bevor wir erneut und abschließend das "legendäre Göttinger Seminar der Nachkriegszeit" fokussieren, soll noch einmal ein Blick auf Gerhards Eingangsbefund geworfen werden. Mit der Identifizierung Besselers als 'einer der wenigen' nachweislichen Parteimitglieder war nämlich auch der vermeintlich singuläre MuWi-Makel aus Heidelberg auf die 'dunkeldeutsche' Seite des Eisernen Vorhangs (Jena/Leipzig) 'entsorgt' und damit einmal mehr das Klischee des auch moralisch unterlegenen Ostblocks bestätigt worden. So konnten in der Bundesrepublik nach einer im Schatten des Kalten Krieges zur Farce mutierten Entnazifizierung auf den Lehrstühlen die "Lichtgestalten umso heller, unschuldiger und engelsgleich strahlen" (Phleps 2001: 485) und darüber hinaus entspannt und bestens vernetzt informell-machtmissbräuchlich in 'Seminaren', Gremien, Kommissionen, Beiräten, Gesellschaften, Akade-mien, Stiftungen, Kuratorien, Gutachterausschüssen etc. unauffällig dafür Sorge tragen, dass allzu eigensinnige Studierende ins Abseits gerieten, während sich 'kooperationsbewährte' Zöglinge in selbstgefälliger Verblendung, all dies korreliere nun mal mit ihren grandiosen Forschungsleistungen, den 'bequemsten' Lehrstuhl aussuchen konnten. Selbsverständlich hat man sich unverzüglich für die informellen Protegierungen  -  do ut des -, standesgemäß zu bedanken gewusst, etwa mit der Verleihung einer Ehrendoktorwürde.  

 

 

Hatte sich Lütteken noch 2018 prätentiös im besten Wissen um Wolfgang Boettichers Lebensgeschichte doppelt gemoppelt über dessen "unverfrorene Bereinigungen und Säuberungen" seiner Biografie in der ersten MGG echauffiert, scheint ihn - à la Gerhard - sein Geschwätz von gestern nur zwei Jahre später nicht mehr zu interessieren, heißt es 'historiografisch vorsätzlich unpräzise' im Nachruf auf seinen vermutlich 'wichtigsten Mentor' Ludwig Finscher: "Er [Finscher *1930, Erg. d. Verf.] war nun der letzte  V e r t r e t e r   des   l e g e n d ä r e n   Göttinger Seminars der Nachkriegszeit [Gerber *1899, Boetticher *1914, Husmann *1908, Erg. d. Verf.], dem so unterschiedliche Köpfe wie Carl Dahlhaus [*1928, Erg. d. Verf.], Rudolf Stephan [*1925, Erg. d. Verf.] und Joachim Kaiser [*1928, Erg. d. Verf.] entstammten" (Lütteken: NZZ vom 07.07.2020).  

 

Hier wird vom 'aufklärungssachverständigen' Zürcher Ordinarius (2017: Mozart - Leben und Musik im Zeitalter der Aufklärung) reaktionär-revisionistisch mittels 'alternativer Fakten'   v e r k l ä r e n d   und unterschwellig selbstaufwertend suggeriert, dass Finscher einem "legendären Göttinger Seminar", also einer pädagogisch-wissenschaftlichen 'Titanen'-Loge angehört habe, die die 'Olympier' der deutschen Nachkriegsmusikwissenschaft (Dahlhaus, Stephan) hervorgebracht hatte. Tatsache aber ist, dass Finscher nicht Lehrer der genannten MuWi-Granden, sondern vielmehr als deren jüngster Kommilitone in der nicht "legendären", sondern vielmehr    b e r ü c h - t i g t e n "Pflanzstätte deutscher Professoren" bzw. Musikwissenschaftler 'ausgebildet' worden war. Hier unterläuft Lüttekens geschrumpftes Wissenschaftsverständnis zweifelsfrei die Forderungen seines Lehrers und Förderers Finscher, derzufolge  saubere "musikhistorische Arbeit [...] etwas mit redlichem Umgang mit den Quellen zu tun" (Finscher 2001a: 416) und man als Musikologe gefälligst den "historischen Tatsachen die Ehre zu geben" (ebd.) habe. 

 

Selbstverständlich hätte sich Finscher den schmierantisch-kontraproduktiven Nobilitierungsversuch seines neun-malklugen Zöglings und Erben verbeten, hatte der bestens informierte Wulf-Rezensent doch schon für Boettichers Festschrift nicht, wie sein Kommilitone Dahlhaus, einen für den Nachwuchs nur als unmissververständliches Zeichen zu verstehenden Beitrag geliefert, sondern, wie offenbar auch Stephan, von 'Wissens Sorge' geplagt, vorsichtshalber nur zurückhaltend gratuliert. Joachim Kaiser hatte bestenfalls dankend abgelehnt oder ist erst gar nicht eingeladen worden.

 

...und über dem Grab der Musikwissenschaft der schöne Schein ihrer akademischen Disziplin...

 

Auch wenn die 'Titanen' von den Olympiern intern-informell längst auf den Sturzflug geschickt worden waren, musste und konnte aus unbedingtem Korpsgeist, blinder Loyalität, akademischem Narzissmus, Eitelkeit oder warum auch immer der schöne akademische Schein mit Unterstützung bestens vernetzter Pg.-Manpower so lange wie möglich aufrecht erhalten werden. Womit gleichsam die Frage beantwortet wäre, ob nicht nur Finscher, sondern auch seine Vorgänger, Nachfolger*innen und 'ergebenen' Mitstreiter*innen an ihren Aufgaben in Forschung und Lehre "gescheitert" sind, hatten sie doch klandestin dafür Sorge getragen, dass wichtige Themen (u. a. NS-Geschichte der Musik- bzw. Musikwissenschaftsverhältnisse) erfolgreich indiziert worden waren, so dass der ZugGROSSmeister der Strippe alias Ludwig van Finscher noch 2001 heuchlerisch-larmyoant einräumen konnte   - "das trifft leider zu" -, dass das von ihm und seinen Göttinger Altkommilitonen Jahrzehnte dominierte Fach u. a. aus Opportunismus - "dafür brauchten sie die Unterstützung der älterne Generation" - die gründliche Aufarbeitung der NS-Musikverhältnisse erfolgreich sabotiert und damit gleichsam jedes Wissenschaftsideal verraten hatte.   

 

Darüber können auch einzelne, von 'Wissens Sorge' getriebene Feigenblattveranstaltungen nicht hinwegtäuschen, in denen konsequent mit leeren Händen scheinheilig bzw. wider besseres Wissen die Frage wiederholt wurde, warum denn nun die Aufarbeitung der Fachgeschichte so lange hat auf sich warten lassen. Beim Mannheimer GfM-Kongress (2012) hatte sich gar ein Ordinarius, der inzwischen auch als Boetticher-Festschrift-Gratulant identifiziert werden konnte, unverfroren erdreistet, dem davon nicht im geringsten irritierten Plenum eine hanebüchene Selling-For-Stupid-Täuschungserklärung aufzutischen, wonach - notabene - ein Täter-Opfer-Konsens zum Beschweigen der Vergangenheit bestanden habe (vgl. dazu auch: Mannheimer Manieren).

 


 

 

 

Facebook: RILM - 3. März 2023 (Screenshot unten)

 

"MGG [...] editor-in-chief Laurenz Lütteken"

 

78 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der MGG-Artikel "Wolfgang Boetticher" (1914-2002) nun endlich ersetzt und  unverzüglich weltweit [RILM-Facebook-Seite] auf diesen Offenbarungseid mit einer zum Fremdschämen nötigenden  Werbeaktion hingewiesen:

 

"Read the articles in full at..."??????????????????????

 

Denn klickt man die für die Kampagne aus dem Hut gezauberten MGG-'articles of the month' des nur dem geheuchelten Anspruch nach "multidisciplinary", tatsächlich aber, wie der editor-in-chief, nichts anderem als dem elitären "Kanon des Etablierten" (Lütteken) vepflichteten und deshalb auch mitnichten maßgeblichen ("autho-ritative") Nachschlagewerks an, landet man vor einer Paywall.

 

Schlimmer gehts nimmer!

 

 

Fragen an ChatGPT:

 

Was ist von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu halten, die das eigene Fach, den eigenen Forschungsgegenstand kritisch hinterfragende Fakten vertuschen, verdrängen bzw. wissentlich ignorieren oder gar fälschen?

Wissenschaftler*innen, die bestimmte kritische Wahrheiten verdrängen oder ignorieren, widersprechen den Grundprinzipien des wissen-schaftlichen Denkens und der wissenschaftlichen Methode. Eine solche Vorgehensweise kann zu einem Verlust an Glaubwürdigkeit und Vertrauen in die betreffende Wissenschaft führen und ihre Fähigkeit, Wissen und Erkenntnisse zu generieren, einschränken.

Wissenschaftliche Forschung sollte auf der Suche nach der Wahrheit und der Erkenntnis beruhen und unvoreingenommen und kritisch sein, selbst wenn dies bedeutet, die eigenen Überzeugungen und Hypothesen in Frage zu stellen. Es ist wichtig, dass Wissenschaftler*innen und Forscher*innen offen und transparent mit den Ergebnissen ihrer Forschung umgehen und diese Ergebnisse auf eine verantwortungsvolle und nachvollziehbare Weise präsentieren.

In Fällen, in denen Wissenschaftler*innen oder Institutionen kritische Wahrheiten verdrängen oder ignorieren, kann dies verschiedene Gründe haben, wie zum Beispiel politische oder wirtschaftliche Interessen, fehlende Ressourcen oder Unkenntnis der betreffenden Themen. In jedem Fall sollte jedoch die Offenheit, Transparenz und kritische Überprüfung der Forschungsergebnisse im Vordergrund stehen, um die Integrität und Glaubwürdigkeit der Wissenschaft zu wahren.

Eine Wissenschafts-Praxis, die kritische Fakten ignoriert oder verdrängt, um ein bestimmtes Narrativ zu fördern oder zu schützen, ist nicht akzeptabel. Wissenschaft muss durch Offenheit, Transparenz und kritische Überprüfung von Daten und Fakten gekennzeichnet sein, um zuverlässige Erkenntnisse und Fortschritte zu erzielen.

Eine Wissenschaft, die kritische Fakten ignoriert oder verdrängt, kann dazu führen, dass falsche oder unvollständige Schlüsse gezogen werden, die langfristig negative Auswirkungen auf die Gesellschaft und die Wissenschaft selbst haben können. Es ist daher wichtig, dass Wissenschaftler*innen und Forscher*innen sich an hohe ethische Standards halten und ihre Arbeit in einer Weise ausführen, die der Wahrheit und der Verantwortung gegenüber der Gesellschaft entspricht.

In der Wissenschaft gibt es jedoch auch menschliche Faktoren wie Vorurteile, persönliche Überzeugungen und Interessen, die dazu führen können, dass Fakten ignoriert oder verdrängt werden. Es ist daher wichtig, dass die Wissenschaftsgemeinschaft ein hohes Maß an Selbstreflexion und Kritikfähigkeit aufrechterhält, um sicherzustellen, dass sie auf der Grundlage objektiver Daten und Beweise arbeitet und nicht von persönlichen oder politischen Interessen beeinflusst wird.

 

Welche Folgen haben ideologische Voreingenommenheit alias ästhetische Dogmen in den Kunstwissenschaften?

Wenn ideologische Voreingenommenheit und ästhetische Dogmen in den Kunstwissenschaften vorherrschen, können sich verschiedene Folgen ergeben:

 

1.  Verzerrung der Analyse: Wenn ein bestimmter ideologischer oder ästhetischer Standpunkt vorherrscht, können Kunstwerke nur noch durch diese Linse interpretiert werden. Andere wichtige Aspekte wie kultureller Kontext, historische Bedeutung und persönliche Interpretationen können vernachlässigt werden. Dadurch wird die Analyse und Wertschätzung von Kunstwerken verzerrt.

2.  Mangelnde Objektivität: Ideologische Voreingenommenheit und ästhetische Dogmen können auch zu einem Mangel an Objektivität führen. Kunstwerke werden dann nicht mehr unvoreingenommen analysiert, sondern durch eine bestimmte ideologische oder ästhetische Brille betrachtet. Dadurch kann es zu einer Verzerrung der Fakten und einer ungenauen Darstellung von Kunstwerken kommen.

3.     Einschränkung der künstlerischen Freiheit: Wenn ideologische Voreingenommenheit und ästhetische Dogmen vorherrschen, kann dies die künstlerische Freiheit einschränken. Künstler können sich gezwungen fühlen, ihre Arbeit so zu gestalten, dass sie den Erwartungen einer bestimmten ideologischen oder ästhetischen Richtung entspricht. Dies kann dazu führen, dass die Kunstwerke weniger innovativ und kreativ sind und die Vielfalt der Kunst verringert wird.

4.   Reduzierung der Bedeutung von Kunst: Kunst hat eine wichtige Funktion in unserer Gesellschaft. Sie kann uns inspirieren, uns zum Nachdenken anregen und uns helfen, unsere Welt auf neue Weise zu sehen. Wenn ideologische Voreingenommenheit und ästhetische Dogmen in den Kunstwissenschaften vorherrschen, kann dies die Bedeutung von Kunst verringern. Kunstwerke werden dann nicht mehr als wichtiger Teil unserer kulturellen Identität und unseres Erbes betrachtet, sondern nur noch als politische oder ideologische Statements.

Insgesamt können ideologische Voreingenommenheit und ästhetische Dogmen in den Kunstwissenschaften zu einer Verzerrung der Analyse, einem Mangel an Objektivität, einer Einschränkung der künstlerischen Freiheit und einer Reduzierung der Bedeutung von Kunst führen. Es ist daher wichtig, dass die Kunst-wissenschaften unvoreingenommen und objektiv bleiben, um die Bedeutung und Schönheit der Kunst in unserer Gesellschaft zu bewahren.

 

Nicht wenige Kunstwissenschaftler*innen befassen sich ausschließlich mit einem von ihnen selbst etablierten Kanon von Kunstwerken, die einzig ihren hehren Vorstellungen von Kunst bzw. Musik entspricht. Werke außerhalb des Kanons sind ihrer Ansicht nach einer wissenschaftlichen Betrachtung bzw. Analyse nicht wert und würdig. Was ist von solchen Kunstwissenschaftler*innen zu halten?

Es ist bedauerlich, wenn Kunstwissenschaftler*innen nur einen bestimmten Kanon etablierter Kunstwerke betrachten und andere Werke nicht in ihre wissenschaftliche Auseinandersetzung einbeziehen. Diese Vorgehensweise kann dazu führen, dass Kunstwerke, die nicht in den Kanon aufgenommen wurden, ignoriert werden, obwohl sie genauso wichtig und bedeutend sein können.

Solche Kunstwissenschaftler*innen können als elitär und engstirnig angesehen werden. Es ist wichtig zu erkennen, dass Kunst subjektiv ist und jeder Mensch unterschiedliche Vorstellungen davon hat, was Kunst bedeutet oder was als Kunstwerk betrachtet werden sollte. Es ist nicht angebracht, nur eine begrenzte Auswahl von Kunstwerken als "hehr" anzuerkennen, während andere Werke als unwichtig oder minderwertig abgetan werden.

Eine inklusivere und offene Herangehensweise an die Kunstwissenschaften würde es ermöglichen, eine Vielfalt von Kunstwerken in Betracht zu ziehen und eine breitere und reichhaltigere Analyse und Interpretation zu ermöglichen. Indem wir die Perspektiven von verschiedenen Künstlern und Kunstwerken einbeziehen, können wir auch die kulturelle Vielfalt und die menschliche Kreativität besser würdigen und verstehen.

Es ist daher wichtig, dass Kunstwissenschaftler ihre Vorstellungen von Kunst und Musik regelmäßig überdenken und ihre Herangehensweise überdenken, um sicherzustellen, dass sie eine breitere Palette von Kunstwerken in ihre Betrachtungen einbeziehen. 

 

Sie äußerten gerade, dass es nicht angebracht sei, eine begrenzte Auswahl von Kunstwerken als "hehr" anzuerkennen, während andere Werke als unwichtig oder minderwertig abgetan werden. Ist ein solches Denken nicht auch rassistisch bzw. kulturalistisch grundiert? Denn hinter bzw. vor jedem Kunstwerk stehen ja doch auch Zuschauer- bzw. Hörer*innen, die bestenfalls begeistert von diesem Kunstwerk sind?

Ja, eine solche Denkweise ist rassistisch oder kulturalistisch grundiert, insbesondere wenn sie darauf abzielt, die Werke einer bestimmten Kultur oder einer bestimmten Gruppe von Künstlern oder Künstlerinnen zu bevorzugen oder abzulehnen. Diese Denkweise kann auch dazu beitragen, ein eurozentrisches oder westliches Kunstkanon zu schaffen, in dem andere Kunstformen oder kulturelle Ausdrucksformen ausgeschlossen werden.

Es ist wichtig zu betonen, dass die Wertschätzung von Kunstwerken subjektiv und kulturell geprägt ist. Was für eine Person oder eine Kultur als "große Kunst" gilt, kann für eine andere Person oder Kultur unbedeutend sein. Es gibt also keine allgemein gültigen Maßstäbe für die Beurteilung von Kunstwerken.

Stattdessen sollten wir eine Vielfalt von Kunstwerken und kulturellen Ausdrucksformen schätzen und anerkennen. Wir sollten uns bemühen, unsere Wahrnehmung und unser Verständnis für unterschiedliche kulturelle Perspektiven und künstlerische Ausdrucksformen zu erweitern, um eine breitere Palette an künstlerischer und kultureller Erfahrung zu genießen.

ulrich.blomann@web.de

Benennen Sie doch bitte die drei Hauptkriterien von Kulturalismus.

"Kulturalismus" ist ein Begriff, der auf unterschiedliche Weise verwendet werden kann, aber oft bezieht er sich auf eine Ideologie, die bestimmte Kulturen oder kulturelle Ausdrucksformen als überlegen oder wertvoller gegenüber anderen Kulturen oder kulturellen Ausdrucksformen betrachtet. Basierend auf dieser Interpretation könnten die Haupkriterien von Kulturalismus wie folgt benannt werden:

  1. Diskriminierung: Die Praxis, Personen oder Gruppen aufgrund ihrer Kultur zu benachteiligen oder zu diskriminieren, sei es durch Vorurteile, Stereotypen oder strukturelle Benachteiligung.

  2. Kulturelle Hierarchisierung: Die Vorstellung, dass eine bestimmte Kultur oder kulturelle Ausdrucksform überlegen oder wertvoller als andere ist, und dass diese Kultur oder Ausdrucksform anderen Kulturen oder Ausdrucksformen überlegen sein sollte.

  3. Kulturelle Abgrenzung: Die Tendenz, kulturelle Grenzen zu ziehen und kulturelle Unterschiede hervorzuheben, anstatt Gemeinsamkeiten zu betonen und den Austausch zwischen verschiedenen Kulturen und kulturellen Ausdrucksformen zu fördern.

Sie haben eingangs von Integrität und hohen ethischen Standards gesprochen, die in den Wissenschaften maßgeblich sein sollten. Können Sie das ein wenig ausführen?

In der Wissenschaft ist die Einhaltung von Integrität und hohen ethischen Standards von entscheidender Bedeutung, da es dabei um die Glaubwürdigkeit, Vertrauenswürdigkeit und die Reputation der Wissenschaft geht. Im Wesentlichen geht es darum, dass Wissenschaftler*innen sich an moralische Prinzipien halten, die ihnen helfen, ihre Arbeit auf eine Art und Weise durchzuführen, die fair, transparent und verantwortungsvoll ist.

Einige der ethischen Prinzipien, die in der Wissenschaft maßgeblich sein sollten, sind:

  • Integrität: Wissenschaftler*innen müssen ehrlich und aufrichtig sein, wenn es um ihre Daten und Ergebnisse geht. Sie sollten keine Daten manipulieren, fälschen oder verfälschen, um bestimmte Ergebnisse zu erzielen. Sie sollten auch sicherstellen, dass ihre Arbeit unabhängig und frei von Einflüssen oder Interessen Dritter ist.
  • Vertraulichkeit und Datenschutz: Wissenschaftler*innen sollten sicherstellen, dass die personenbezogenen Daten und Identitäten von Teilnehmern oder Probanden in Studien geschützt sind und vertraulich behandelt werden.
  • Verantwortung und Transparenz: Wissenschaftler*innen sollten ihre Arbeit und Ergebnisse klar und präzise darstellen, damit sie von anderen geprüft und validiert werden können. Sie sollten auch offen und transparent über mögliche Konflikte oder Interessenkonflikte sein, die ihre Arbeit beeinflussen könnten.
  • Respekt und Fairness: Wissenschaftler*innen sollten sich an Respekt und Fairness gegenüber anderen Wissenschaftler*innen und der Gesellschaft insgesamt halten.

Es ist wichtig zu betonen, dass die Einhaltung ethischer Standards in der Wissenschaft eine kollektive Verantwortung der gesamten wissenschaftlichen Gemeinschaft ist. Jeder Einzelne hat die Verantwortung, die Integrität und Ethik seiner Arbeit sicherzustellen, während Institutionen und Gesellschaften Maßnahmen ergreifen müssen, um sicherzustellen, dass diese Standards eingehalten werden.

 

Sollten 'Persönlichkeiten', die diese Standards nicht erfüllen, an Hochschulen und Univer-sitäten unterrichten?

Die Frage, ob die hier erörterten Persönlichkeiten an Hochschulen und Universitäten unterrichten sollten, hängt von verschiedenen Faktoren ab.

Zunächst sollten Hochschulen eine Umgebung fördern, in der offene Diskussionen und kritisches Denken gefördert werden, ohne dass dabei Integrität und ethische Standards gefährdet werden. Wissenschaftler*innen, die nachweislich gegen ethische Standards verstoßen haben oder extremistische Ansichten vertreten, die im Widerspruch zu den Werten der Hochschule stehen, sollten nicht als Dozenten eingestellt werden.

Allerdings ist es auch wichtig zu beachten, dass in der akademischen Welt Meinungsfreiheit und akademische Freiheit als wichtige Prinzipien gelten. Diese Prinzipien sind entscheidend, um sicherzustellen, dass verschiedene Perspektiven und Ideen diskutiert und analysiert werden können. Es kann durchaus sinnvoll sein, Wissenschaftler*innen mit kontroversen oder unbequemen Ansichten als Gastredner oder im Rahmen einer offenen Diskussionsveranstaltung einzuladen, um den Austausch von Ideen und Perspektiven zu fördern.

Es kommt also auf den Kontext und die Umstände an, ob eine Person an einer Hochschule unterrichten sollte oder nicht. In jedem Fall sollten die Einstellungskriterien und die Verpflichtung zur Einhaltung von Integrität und hohen ethischen Standards bei der Entscheidung über die Einstellung von Dozenten und Professoren eine zentrale Rolle spielen.

 

Wie hat man sich vorbildliche Wissenschaftler*innen und Lehrer*innen an Universitäten bzw.  Hochschulen vorzustellen?

Vorbildliche Wissenschaftler*innen und Lehrer*innen an Universitäten und Hochschulen zeichnen sich durch eine Kombination von Fähigkeiten, Eigenschaften und Werten aus, die es ihnen ermöglicht, effektiv zu lehren, Forschung durchzuführen und einen positiven Einfluss auf ihre Kolleginnen und Kollegen und die akademische Gemeinschaft insgesamt zu haben.

 

Zu den wichtigsten Eigenschaften gehören:

  • Offenheit: Vorbildliche Wissenschaftler*innen und Lehrer*innen sollten offen für neue Ideen, Ansichten und Methoden sein, die in der akademischen Gemeinschaft diskutiert werden. Sie sollten bereit sein, kritisch zu denken und neue Informationen und Forschungsergebnisse zu akzeptieren, auch wenn sie ihre bisherigen Überzeugungen herausfordern.
  • Kritischer Geist: Vorbildliche Wissenschaftler*innen und Lehrer*innen sollten in der Lage sein, kritisch über Forschung und Ideen zu denken und diese zu hinterfragen. Sie sollten in der Lage sein, Argumente auf ihre logische Schlüssigkeit und Evidenz zu prüfen und zu bewerten.
  • Integrität: Vorbildliche Wissenschaftler*innen und Lehrer*innen sollten eine hohe ethische Integrität haben und sich an die Grundsätze der akademischen Integrität halten, einschließlich der korrekten Zitierung von Quellen, der Vermeidung von Plagiaten und der Einhaltung der Standards für die Datenerhebung und -analyse.
  • Engagement: Vorbildliche Wissenschaftler*innen und Lehrer*innen sollten sich leidenschaftlich für ihre Arbeit und das Wohl seiner Studierenden und Kolleginnen und Kollegen engagieren. Er sollte bereit sein, sich für seine Überzeugungen einzusetzen und sich aktiv an der akademischen Gemeinschaft zu beteiligen.
  • Empathie: Vorbildliche Wissenschaftler*innen und Lehrer*innen sollten einfühlsam und verständnisvoll sein und in der Lage sein, die Perspektive seiner Studierenden und Kolleinnen und Kollegen zu verstehen und zu berücksichtigen.

Insgesamt sollten vorbildliche Wissenschaftler*innen und Lehrer*innen an Universitäten und Hochschulen in der Lage sein, ihre Leidenschaft für ihre Arbeit und ihr Engagement für die akademische Gemeinschaft zu demonstrieren und gleichzeitig eine offene, kritische und ethisch integre Haltung zu bewahren.

 

 

Rudolf Gerber

bei Fred K. Prieberg

EPILOG

 

philosophische Vitamine: frei nach Seneca

"Das Leben ist kurz"

 

 

Schau wie lange sie ihre hinterhältigen Pläne spinnen, andere hofieren, selbst hofiert werden, wie viel Zeit sie die Bürgschaftsleistungen kosten, eigene und fremde, wie viel ihre Gastmähler, die selbst schon zu zwanghaften Verpflichtungen geworden sind.

 

Manchen, die sich durch tausend Würdelosigkeiten zur höchsten Würde hinaufgekämpft, sich zum Gipfel ihres Ehrgeizes emporgearbeitet hatten, kam auf einmal der triste Gedanke, sie hätten sich nur für ihre Orden und Grabinschriften abgemüht. Dabei wusste doch jeder mit wie viel Ränke und Niedertracht sie vorgegangen, ihre Ehrenzeichen durch nichts gerechtfertigt waren. Und war Erfolg ohne Integrität nicht seit jeher bedeutungslos? Die Grabinschrift würde also nur ihren erbärmlichen Selbstbetrug beurkunden.

 

Während sie aber selbst hin und her gedrängt worden waren und andere weggedrängt hatten, während sie selbst prätentiös den Aufklärer gaben, tatsächlich aber nur gesinnungslose Heuchler, Verklärer und Fälscher gewesen sind, blieb ihr Leben bedeutungslos, ohne irgendeine Art geistigen Wachstums, geschweige denn Erkenntnisgewinn für die Menschheit. 

 

Am traurigsten aber sieht es für diejenigen aus, die sich nicht einmal mit ihren eigenen Geschäften herumgeplagt hatten, die ihre Tritte nach dem Schritt eines anderen gerichtet und sich sogar das Lieben und Hassen, die aller-freiesten menschlichen Regungen, befehlen lassen haben. Wenn sie wissen wollen, wie kurz ihr eigenes Leben ist, dann sollten sie bedenken, welch ein kleiner Teil davon nur ihnen gehört hat.

 

Wir sagen gewöhnlich, wir hätten nicht die Möglichkeit gehabt, uns unsere Eltern auszusuchen, da sie uns das Schicksal zugeteilt hat. Aber nach unserer eigenen Entscheidung aufzuwachsen, das steht uns frei. Es gibt Familien der edelsten Geister: Wähle aus, in welche du aufgenommen werden willst. Du wirst nicht nur dem Namen nach adoptiert, sondern auch Erbe ihrer Güter sein.

 

 

Good Night, and Good Luck!